2 Abieyuwa – von Benin nach Eckernförde

An ihren Sandalen klebt ganz fein noch roter Staub von ihrer letzten Reise nach Benin. Im Frühsommer 2021 konnte sie dort endlich ihren Vater beerdigen. Monatelang hatte sein Leichnam in einem Kühlhaus gelegen, weil seine Kinder wegen der Corona-Regeln nicht aus dem Ausland heimreisen konnten, um ihn so zu bestatten, wie die Tradition es verlangt. All diese Monate lang war Abieyuwa deshalb rastlos und bedrückt.
Zu ihrer Familie gehören die drei Frauen ihres Vaters und eine Schar Kinder, Enkel und Urenkel. Mit ihnen wuchs sie im Königreich Benin, einem Teil des heutigen Nigeria, auf. Abieyuwa, die in Nigeria einen Collegeabschluss gemacht hatte, kam nach Deutschland, um ihre Schwester zu besuchen, und verliebte sich hier. Seit 26 Jahren lebt sie nun schon in Deutschland, lange in Krefeld, der Heimatstadt ihres Mannes, und seit einigen Jahren im neu gebauten Einfamilienhaus in Eckernförde, nicht weit von dem Förderzentrum, das ihr jüngster Sohn lange besuchte. Heute arbeitet er in einer betreuten Werkstatt und Abieyuwa ist für ihn da, sobald er nachhause kommt. Weil er an Autismus leidet, kann er kann nicht allein bleiben.
Abieyuwa nimmt ihn und ihren älteren Sohn, der studiert, selten mit nach Nigeria, denn sie fallen dort auf und sie fürchtet wegen der wachsenden Kriminalität, sie könnten angegriffen oder entführt werden. Fast alle jungen Leute in Nigeria wollen nach Europa oder in die USA, erzählt sie, denn die Korruption verhindert, dass die Erträge aus den reichen Bodenschätzen den Menschen im Land selbst zu Gute kommen und die Wirtschaft sich entwickelt. Die jungen Menschen, die heute vom Land nach Lagos ziehen, kommen ihr schutzlos vor, weil sie den traditionellen Familienverband verlassen, in der Großstadt jedoch kein sicheres Auskommen finden. Ihr jüngerer Sohn ist bei seinem letzten Besuch in Benin aufgeblüht, fühlte sich spürbar aufgehoben im herzlichen Kontakt mit Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen und litt weniger an den Symptomen seines Autismus. Abieyuwa wünscht sich, es gäbe einen Weg, die staatlichen Angebote für behinderte Menschen, die ihr in Deutschland helfen, mit der Fürsorge einer großen, lebhaften Familie wie ihrer in Benin zu verbinden. Und sie wünscht sich, dass die klugen Köpfe ihres Landes in Nigeria Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst vorantreiben könnten statt ins Ausland zu gehen.
Zuhause bewahrt sie eine Nachbildung der berühmten Maske von Iyoba, einer Köngin Benins im frühen 16. Jahrhundert, auf. Das Original befindet sich nicht in Nigeria, sondern im Metropolitan Museum in New York. Wenn geraubte Kunstgegenstände, wie jüngst aus Frankreich, an Benin zurückgegeben werden, empfindet Abieyuwa das jedes Mal als ein Stück Gerechtigkeit und als Zeichen der Hoffnung auf ein selbstbewusstes, wirtschaftlich erstarkendes Nigeria.

Ein Interview mit Abieyuwa gibt es hier zu hören. Das Duo Janeway hat einen Song über ihren Lebensweg geschrieben.

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