Andrea besuchte als Kind eine deutsche Schule in Buenos Aires. Viele Schülerinnen und Schüler hatten jüdische Wurzeln – das unterscheidet diese Schule von anderen deutschen Schulen in Argentinien. Bei Sportfesten wurde die Schulmannschaft oft ausgepfiffen, denn auch unter den Deutschen in Argentinien gab es Antisemitismus.
Nach der Schule studierte Andrea Architektur. Gegen den Wunsch ihres Vaters entschied sie sich nicht für eine Privatuniversität, sondern für die staatliche Universität in Buenos Aires. Der Vater strich ihr daraufhin die finanzielle Unterstützung. Sie lernte, sich durchzubeißen.
Schon als Austauschschülerin war sie für ein halbes Jahr in einer deutschen Gastfamilie in Kiel gewesen. Sie brachten ihr sehr viel bei und öffneten ihr Möglichkeiten und Kontakte. In dieser Zeit erweiterte sich ihr Horizont und sie lernte viel über sich selbst. Nach dem Studium machte sie ein Praktikum in einem Kieler Architekturbüro. In Deutschland würden Häuser nach ganz anderen Gesichtspunkten geplant, erklärt sie, nicht nur wegen der unterschiedlichen Architekturtraditionen, sondern schlicht deshalb, weil die Sonne aus der entgegengesetzten Himmelsrichtung einfalle.
In Kiel verliebte sie sich in einen Mann iranischer Herkunft. So waren in dem Haus in Molfsee, das sie umbaute und sich zur Sonne hin öffnen ließ, bald Familienangehörige aus Argentinien und aus dem Iran zu Besuch – manchmal für Monate. Heute ist Andrea geschieden, die obere Etage vermietet sie an eine Familie aus Singapur, im Erdgeschoss hängt eine riesige Schwarzweißfotografie ihrer drei erwachsenen Söhne. Als ihre Ehe zerbrach, war sie tieftraurig. Sie machte eine Therapie, damit ihre Kinder nicht unter ihrer Traurigkeit litten. Wenn sie heute Kinder aus kürzlich nach Deutschland geflüchteten Familien an der Hand ihrer Eltern sieht, denkt sie wieder: Kinder sollten nicht zu lange mit traurigen Eltern leben. Obwohl sie Deutschland schon lange verbunden war, bevor sie sich in Molfsee niederließ, und obwohl sie Deutsch in der Schule gelernt hatte, traf sie in bestimmten Momenten ihres Lebens das Fremdsein mit voller Wucht. Wie muss es dann denjenigen ergehen, die unvorbereitet und ohne berufliche Perspektive herkommen? Sie wünscht sich Angebote für geflüchtete Menschen, die auf sanfte Weise die Traumatisierungen durch Krieg und Gefahr lindern, etwa Erlebnisworkshops, Meditationskurse für Mütter, Kreativkurse oder gemeinsames Musizieren. Diese Angebote sollten Menschen darin unterstützen, ihre Ressourcen durch positive Erfahrungen zu stärken und aufzubauen.
Ein Interview mit und einen Song über Andrea gibt es hier:
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